Die Polizei ist unmittelbar in Kontakt mit Gewaltbetroffenen und Täter*innen. Für die Umsetzung der Istanbul-Konvention, den Schutz der Betroffenen und Verhinderung weiterer Gewalt kommt der Polizei Verantwortung zu.

 

Besuchen Sie regelmäßig Fort- und Weiterbildungsangebote zu häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt.

Themen können u. a. sein:

  • Sensibler Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt
  • Sensibler Umgang mit Betroffenen von häuslicher Gewalt
  • Handlungsmöglichkeiten bei Fällen von häuslicher Gewalt
  • Proaktive Beratung
  • Gewaltdynamiken und Gefahreneinschätzung

Nehmen Sie regelmäßig an Fachtagungen und Netzwerktreffen Ihrer Region teil.

Multiprofessionelle Netzwerke tragen zu einer lückenlosen Versorgung der Betroffenen bei. Werden Sie Mitglied in lokalen Arbeitskreisen. Es ist sehr wertvoll, gemeinsam die Zusammenarbeit und Prozessabläufe der involvierten Akteur*innen festzulegen. Beziehen Sie die Frauenhäuser in Ihre regionalen Kinderschutz-Netzwerke mit ein.

Landesaktionsplan S. 45, S. 78; Gutachten S. 31, S. 40-41, S. 89

Seien Sie Brücke ins weitere Gewalthilfesystem und setzen Sie sich für das proaktive Konzept ein.

Bieten Sie den Betroffenen vor Ort an, dass Frauenhäuser und/oder Beratungsstellen auf Wunsch mit Ihnen in Kontakt treten.

Bringen Sie darüberhinaus die proaktive psychosoziale Beratung im Land Brandenburg voran. Sie stellt sicher, dass die Betroffenen aktiv über Hilfsangebote informiert werden.

Das aktuelle BbgPol BB “Gesetzes zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt” enthält derzeit zur Gefahrenabwehr eine Ergänzung des § 16a Art. 4 BbgPolG (Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt) keine Pflicht zur Datenweitergabe an eine geeignete Beratungsstelle zur Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Person. Aktuell wird durch die Polizei auf die Möglichkeit der Unterstützung durch eine geeignete Beratungsstelle hingewiesen, und die gefährdete Person muss aktiv und schriftlich der Datenweitergabe zustimmen. Unterstützen Sie nach Ihren Möglichkeiten die Forderung nach und Umsetzung von proaktiver, psychosozialer Beratung im Kontext von Häuslicher Gewalt.

Landesaktionsplan S. 39, S. 56

Schöpfen Sie Kontaktbeschränkungen und Wegweisungen bei häuslicher Gewalt aus.

Wenden Sie § 16a BbgPolG und das GewSchG in Form von zeitlich maximaler Nutzung der Wegweisung sowie des Kontakt- und Näherungsverbots an. Sorgen Sie für eine stetige Evaluation der Wegweisung und des Gewaltschutzgesetzes. Mit § 16b BbgPolG (Kontakt- und Näherungsverbot) wird die Möglichkeit für die Polizei geschaffen, Kontaktbeschränkungen, insbesondere auch der mittlerweile üblichen Möglichkeit der Nutzung von digitalen Medien, auszusprechen. Die Maßnahme dient dem sofortigen Schutz und als kurzfristiges Mittel der Krisenintervention, bis eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt werden konnte.

Bringen Sie eine Strategie für die Umsetzung eines Hochrisikomanagement im Land Brandenburg voran.

Wirken Sie aktiv mit allen Mitteln mit bei der Umsetzung eines landesweiten, interdisziplinären Hochrisikomanagements im Land Brandenburg mittels verstetigter Fallkonferenzen und transparenter Risikobewertung.

Nutzen Sie bei Hochrisikofällen zur Gefahrenabwehr die elektronische Aufenthaltsüberwachung.

Sensibilisieren und nutzen Sie zur Gefahrenabwehr die Ergänzung des Gesetzes zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt § 15b BbgPolG (Elektronische Aufenthaltsüberwachung).

Mit der Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung („Fußfessel“) in sogenannten „Hochrisikofällen“ bei potenziellen Sexual- und Gewaltstraftätern bei Nachstellungen und zur Kontrolle von Kontakt-, Näherungs- und Rückkehrverboten erhält die Polizei ein Instrument, welches durch erhöhten Beobachtungsdruck die Handlungsmöglichkeiten des potenziellen Straftäters beschränkt und die Begehung von Straftaten verhindert.

Gutachten S. 42

Optimieren Sie die Kriminalitätsstatistik.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden derzeit weder ökonomische noch psychische Gewalt oder sexualisierte Belästigung erfasst. Erfassen Sie alle geschlechtsspezifischen Gewaltformen im Kontext von häuslicher Gewalt sowie sexualisierte Belästigung in der Statistik sowie für Präventions- und Interventionsmaßnahmen.

Landesaktionsplan S. 19, S. 56; Gutachten S. 38-39, S. 101

Vermeiden Sie Sekundärviktimisierung.

Von sekundärer Viktimisierung spricht man, wenn dem Opfer weiterer Schaden entsteht, der nicht eine direkte Folge der Straftat ist, sondern auf die Art und Weise zurückzuführen ist, wie Institutionen und andere Personen mit dem Opfer umgehen.

Stellen Sie durch Sensibilisierung und Fortbildung der Polizei sicher, dass Sekundärviktimisierung bei Zeug*innenvernehmenung oder durch Konfrontation mit Täter*innen vermieden wird. 

Landesaktionsplan S.58; Gutachten S. 50-55, S. 89-91

Beschleunigen Sie Strafverfahren.

Stellen Sie eine zügige Strafverfolgung von häuslicher und sexualisierter Gewalt  sicher; ggfls. auch ohne Strafanzeige. Eine zeitliche Verkürzung der Strafverfahren ist durch den Einsatz von mehr sowie spezialisierterem Personal im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst sowie bei der Polizei möglich.

Landesaktionsplan S. 78; Gutachten S. 89-91

Tarnidentität für gefährdete Person

Bauen Sie die Möglichkeit einer vorübergehenden Tarnidentität mit Wohnortwechsel für die gefährdete Personen bei herausragenden Gefährdungslagen aus.

Erweitern Sie die Curricula der Polizeiausbildung um die Themen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt.

Nehmen Sie die Themen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt in die Hochschul- und Lehrausbildung von Polizist*innen auf.  Veranstalten Sie Fort- und Weiterbildungen zu diesen Themen.

Landesaktionsplan S. 15-16; Gutachten S. 55-56

Stärken Sie die Opferschutzbeauftragten.

Bauen Sie die Position der Opferschutzbeauftragten aus. Stärken Sie die Position der Opferschutzbeauftragten, damit sie sich bspw. intensiver in die Fortbildung und Sensibilisierung von Kolleg*innen einbringen können.

Gutachten S. 54-55

Erfassen Sie die polizeilichen Informationsveranstaltungen.

Die Brandenburger Polizei ist ein wichtiger Akteur in der Präventionsarbeit. Polizeiliche Prävention informiert in unterschiedlichen Settings zu verschiedenste Themen. Es gibt jedoch keine landeseinheitliche Erfassung der Themen und Intensität dieser Informationsveranstaltungen. Erfassen und evaluieren Sie die Themen der polizeilichen Präventionsveranstaltungen in einer landeseinheitlichen Übersicht. Stellen Sie sicher, dass sogenannte Präventionsvorträge zu häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt häufig stattfinden und so konkret zur Bewusstseinsbildung beitragen.

 Gutachten S. 49-50

Informieren Sie über die vertrauliche Spurensicherung.

Die “Vertrauliche Spurensicherung” bietet in mittlerweile 12 Kliniken im Land Brandenburg Hilfe für Betroffene von sexualisierter Gewalt an. Sie ist landesweit noch nicht bekannt genug, sodass die Bekanntheit in der breiten Bevölkerung auf allen Wegen beworben werden sollte.

Gutachten S. 75-78

Fokussieren Sie die Geschlechterdimension in Informationsmaterialien.

Adressieren Sie Informationsmaterial zielgruppenspezifisch. Prüfen und aktualisieren Sie Informationen und Verlinkungen auf Ihren Webseiten. Stellen Sie Informationen mehrsprachig zur Verfügung.

Die polizeilichen Informationsflyer sowie Homepages der Polizei zu „Opferschutz und Opferhilfe“ richten sich nicht explizit an Frauen und TIN* Personen als Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt, sondern sprechen allgemein von häuslicher Gewalt oder adressieren allein Kinder und Jugendliche sowie Senior*innen. Erstellen Sie eine spezifische Unterseite im Bereich „Opferschutz und Opferhilfe“ zu geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Verweisen Sie dort auf Unterstützungseinrichtungen wie Frauenhäuser und -beratungsstellen. Der Inhalt sollte nicht nur über das Unterstützungssystem informieren, sondern auch über die aus der Istanbul-Konvention erwachsenden Rechtsansprüche. Diese Informationen müssen in ausgewählten Sprachen (beispielsweise für migrierte oder geflüchtete Frauen), in leichter Sprache sowie barrierearm für Frauen mit Hör- oder Sehbeeinträchtigungen verfügbar sein.

Landesaktionsplan S. 43; Gutachten S. 37-38

Ermutigen Sie sensibel zur Anzeigenerstattung.

Führen Sie Öffentlichkeitskampagnen zur Motivation der Anzeigenstattung durch. Gehen Sie dabei sensibel vor. Häufig sind Betroffene wegen ihrer psychischen Verfassung nicht in der Lage, aktiv eine Anzeige zu stellen und am weiteren Ermittlungs- und Strafverfahren teilzunehmen.

Gutachten S. 89-91

Tragen Sie zur gesamtgesellschaftlichen Bewusstseinsbildung bei.

Nutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Kanäle der Öffentlichkeitsarbeit, um über geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt sowie Hilfsangebote zu informieren. Weitere Informationen zur Öffentlichkeitsarbeit finden Sie hier.

Weitere Informationen für Polizeibeamte

Geschlechtsspezifische Gewalt meint gewaltvolle Handlungen gegenüber einem Individuum oder einer Gruppe von Indi­viduen aufgrund der Geschlechts­identität. Der Begriff wird benutzt, um zu verdeut­lichen, dass gesellschaftliche Struk­turen das Risiko erhöhen, bestimmte Formen von Gewalt zu erleben. Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen, trans, nicht-binäre und intersex Menschen, aber auch Menschen, die bestimmten sozialen Nor­men oder einem binären Geschlechter­verständnis nicht entsprechen.