Gewaltschutz ist eine gemeinschaftliche und ressortübergreifende Aufgabe, die es gilt, auf allen Ebenen zu erfüllen. Die Landesebene hat dafür Sorge zu tragen, dass ein gewaltfreies Leben für alle im Land Brandenburg möglich ist. Sie wirkt zusätzlich in verschiedene Richtungen.

Agieren Sie mit Blick auf Land und Kommunen.

Auf Landesebene muss initiativ mit Blick auf Land und Kommunen agiert werden. Darunter zählen die konsequente Anwendung von Gender Mainstreaming und Gender-Budgeting sowie das Implementieren einer Workplace Policies für Betriebe, bei denen die Landesregierung beteiligt ist, ebenso wie die (finanzielle) Unterstützung der Landkreise bei ihrer kommunalen Umsetzung der Istanbul-Konvention.

Gutachten S. 59-60, S. 83

Adressieren Sie ebenso die Bundesebene und setzen sich dort für die Umsetzung der Verpflichtungen ein.

Nehmen Sie ebenso die Bundesebene in die Pflicht, und engagieren Sie sich u. a. für die Regelfinanzierung von Frauenschutzplätzen, Veränderung des Strafgesetztes auf Bundesebene im Hinblick auf psychische Gewalt sowie des Umgangs- und Sorgerechts.

Gutachten S. 59-60, S. 83

Positionieren Sie sich eindeutig für die Umsetzung der Istanbul Konvention und verankern Sie das Recht auf ein gewaltfreies Leben.

Es liegt in Ihrer Verantwortung die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt als Ziel in der Landesverfassung zu verankern.

Landesaktionsplan S. 16, S. 68; Gutachten S. 37, S. 43-44

Konzipieren Sie vielfaltssensible Strategien und Konzepte zur Bekämpfung von Gewalt und richten Sie Koordinierungs- und Monitoringstellen dafür ein.

Garantieren Sie bei der Erstellung von Strategien und Konzepten Barriere- und Diskriminierungsfreiheit sowie die Einbindung von Expert*innen, Betroffenen und Zivilgesellschaft. Beachten Sie insbesondere alle in der Istanbul-Konvention benannten Diskriminierungskategorien.

Setzen Sie den Landesaktionsplan um. Arbeiten Sie dabei ressortübergreifend und interdisziplinär.

Entwickeln Sie den Landesaktion und Ihre Strategie zur Veränderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die geschlechtsspezifische Gewalt verursachen, kontinuierlich weiter.

Für die Umsetzung der Istanbul-Konvention müssen sich alle Ressorts beteiligen. Benennen Sie feste Zuständigkeiten für die Koordinierung und Ansprechpersonen in den beteiligten Ressorts.

Integrieren Sie weitere, wichtige Akteur*innen in die Prävention von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt, wie etwa den Landespräventionsrat, die Netzwerke und Vertreter*innen der Gesundheitsversorgung, Jobagenturen, Familien- und Erziehungshilfen und Partner*innen im Medienbereich.

Landesaktionsplan S. 31-32; Gutachten S. 41, S. 45, S. 49-50

Finanzieren Sie den Ausbau der Schutzeinrichtungen im Land unter Berücksichtigung besonderer Bedarfe und regionaler Erreichbarkeit.

Ziehen Sie zusätzlich mobile Beratungen sowie digitale Beratungsangebote in Betracht, um den besonderen Herausforderungen des Flächenlands gerecht zu werden.

Um Abweisungen zu vermeiden, empfiehlt die Istanbul-Konvention pro 10.000 Einwohner*innen 2,5 Betten, d. h. 1 Familienzimmer in Zufluchtseinrichtungen vorzuhalten. In Brandenburg braucht es demnach doppelt so viele Frauenhausplätze mit entsprechend umfangreicheren Personal- und Finanzressourcen als derzeit vorhanden.

Finanzieren Sie Notfallbetten, das heißt ein Anteil der Betten in den Schutzeinrichtungen muss für Notaufnahmen immer frei sein oder sehr schnell wieder freigemacht werden.

Schaffen Sie spezifische Beratungsstellen und Schutzunterkünfte. Ermöglichen Sie eine Schutzunterkunft für Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind. Ermöglichen Sie mindestens eine Frauenfachberatungsstelle zu Gewalt gegen Frauen allgemein und eine Fachberatungsstelle zu sexualisierter Gewalt in jedem Landkreis / kreisfreier Stadt.

Schaffen Sie spezialisierte Hilfsdienste für Betroffene von Zwangsheirat sowie von Genitalverstümmelung und erstellen Sie Handlungsleitfäden für das Gesundheitswesen, für die Kinder- und Jugendhilfe, Sozialämter, Ausländer- und Polizeibehörden.

Landesaktionsplan u.a. S. 18, S. 76-77; Gutachten S. 20, S. 61-69

Gewährleisten Sie eine flächendeckende Versorgung für besonders vulnerable Gruppen.

Schaffen Sie Schutz- und Unterstützungsangebote für Menschen, die trans*, inter* oder nicht-binär sind (kurz TIN*), oder anderweitig nicht der Cis-Endo-Normativität entsprechen.

Schaffen Sie anerkannte und bedarfsgerechte Fachberatungs­stellen für Sexarbeiter*innen. Erstellen Sie Leitfäden und Handlungs­empfehlungen für die Beratung zur Anmeldung, die gesundheitliche Beratung, die Gewerbeanmeldung und die Durchführung von Kontrollen. Sensibilisieren Sie die zuständigen Behörden und das medizinische Personal durch Veranstaltungen, Schulungen, Arbeits- und Netzwerktreffen.

Landesaktionsplan S. 52-53, S. 72-76; Gutachten S. 64-65

Gehen Sie gegen Wohnungsnot vor. Sichern sie den Zugang von Gewaltbetroffenen und generell geflüchteten Frauen zu Wohnraum.

Viele von Gewalt Betroffene brauchen eine neue Wohnung, finden allerdings aufgrund des aktuellen Wohnungs­markts keine. Das führt zu längeren Aufenthalten in Frauen­schutz­einrichtungen in Brandenburg.

Gehen Sie gegen Wohnungsnot vor. Dazu zählen u. a. Kooperationen mit Immobiliengesellschaften, Einrichten von Koordinierungs- bzw. Beratungsstellen zur Wohnraumvermittlung und  Rahmenvereinbarungen für Frauen in Frauenhäusern mit Sozialämtern für schnellen, bezahlbaren Wohnraum.

Nehmen Sie Betroffene von häuslicher Gewalt als benannte Zielgruppe (§2) im Gesetz über die soziale Wohnraumförderung in Brandenburg und Rahmenvereinbarungen mit Wohnungsbaugesellschaften für Second-Stage-Projekte auf.

Sichern sie auch den Zugang von geflüchteten Frauen zu Wohnraum – sie sollen selbstbestimmt ihren Wohnort wählen dürfen.

Gewährleisten Sie eine flächendecke Gesundheitsversorgung.

Nach Einschätzungen von Expert*innen gibt es im Flächenland Brandenburg eine nicht hinreichende Gesundheitsversorgung in den ländlichen Regionen, vor allem im Bereich der psychosozialen Gesundheit. Dazu zählen u. a. Trauma-Ambulanzen, qualitätssichere medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung nach sexualisierter Gewalt und Finanzierungsmöglichkeiten für die medizinische Versorgung von nicht krankenversicherten Sexarbeiter*innen.

Landesaktionsplan S. 52-53, S. 72-76; Gutachten S. 64-65

Stellen Sie ausreichend Finanzmittel zur weiteren Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verfügung.

Gewaltschutz und -prävention muss mit angemessenen Mitteln im Haushalt eingeplant werden.

Sichern Sie die dauerhafte Abschaffung der Nutzungsentgelte. Sorgen Sie für ausreichende Personalstellen und Standorte, eine einheitliche und angemessene Bezahlung von Akteur*innen in Schutzeinrichtungen, Beratungsstellen und der Täterarbeit.

Fördern Sie landesweite Projekte, wie der Sprach- und Kulturmittlung und Gesundheitsversorgung, und Aktionen, wie die 16 Aktionstage rund um den Orange Day, sowie regionale Netzwerkarbeit.

Landesaktionsplan u.a. S. 17-18, S. 32-38; Gutachten S. 57-58, S. 77

Richten Sie Interventionsstellen im Land ein.

Richten Sie Interventionsstellen als Bindeglied zwischen staatlichen Interventionen bei häuslicher Gewalt und Stalking und weiterführenden Beratungs- und Unterstützungsangeboten in jedem Landkreis / kreisfreien Stadt ein. Erstellen Sie dazu ein Konzept in Zusammenarbeit mit Frauenschutz, Kinderschutz, Opferhilfe, Täter*innenarbeit, Polizei und Justiz.

Landesaktionsplan S. 71; Gutachten S. 67, S. 105

Bauen Sie die Täterarbeit im Land aus.

Oberstes Ziel der Täterarbeit ist der Opferschutz. Fördern Sie den Ausbau der Täterarbeit im Land. Auch braucht es die engere Anbindung der Täterarbeit an Strafverfolgung (Polizei, Staatsanwaltschaften), Gerichtsbarkeit (insbesondere Familiengerichte und Bewährungshilfe) sowie die örtlichen Jugendämter.

Gutachten S. 83

Treten Sie öffentlichkeitswirksam zum Thema auf und sorgen Sie für einen aktuellen Webauftritt.

Nutzen Sie jede Möglichkeit von öffentlichkeitswirksamen Aktionen und Kampagnen gegen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt. Darunter fallen u.a. die Hissung der UN-Women-Fahne vor Ministerien und Landtag, das Aufstellen von orangefarbenen Bänken, regelmäßiges Informationsmaterial, das sich exklusiv an Frauen und Mädchen richtet und Teilnahme an Internationalen Tagen wie dem 25.11. „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ und 14.02. „One Billion Rising“.

Berücksichtigen Sie bei Aktionen / Veranstaltungen / Kampagnen die Mehrsprachigkeit. Sichern Sie die Telefon- und Videodolmetschung und legen Sie Stellen für professionelle Sprachmittlung fest. 

Die Webseite der Landesregierung kann eine naheliegende Informationsquelle für Betroffene in Brandenburg. Deshalb ist es wichtig, die Aktualität der Informationen und Verlinkungen regelmäßig zu prüfen. Achten Sie dabei auch auf Mehrsprachigkeit und Barrierefreiheit.

Landesaktionsplan S. 31-32, S. 47; Gutachten S. 37-38, S. 63

Etablieren Sie Konzepte des Hochrisikomanagements.

Entwickeln Sie gemeinsam fach- und ressortübergreifend ein Konzept für die Identifizierung von Hochrisikogruppen und das anschließende Gefahrenmanagement. Richten Sie koordinierende, zentrale Anlaufstellen für Hochrisikofälle ein. 

Landesaktionsplan S. 20, S. 78; Gutachten S. 85-86

Entwickeln Sie Richtlinien und Strategien zum Thema Gewaltschutz vs. Umgangsrecht

Entwicklen Sie eine umfassende Strategie zum Umgang mit diesem Widerspruch unter Beteiligung von Frauenhausmitarbeiterinnen, Jugendamt, Justiz und gegebenenfalls Kinderpsycholog*innen. Sorgen Sie für eine menschenrechtskonforme Praxis.

Etablieren Sie Fort-/Weiterbildungen für Mitarbeitende der Jugendämter über den Zusammenhang von Gewalt gegen Kinder und ihre Mütter.

Gutachten S. 81-83

Priorisieren Sie Maßnahmen für die Primär- und Sekundärprävention.

Präventionsmaßnahmen sind essenziell, um geschlechtsspezifische Gewalt zukünftig zu mindern bzw. zu verhindern. Die Angebote sollten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aller Geschlechter ansetzen, sei es zum Thema Geschlechterungleichheit, Partizipationsprozesse oder die Auseinandersetzung mit sogenannten Männlichkeitsrollen oder Gewalt in den ersten Liebesbeziehungen. Darüber hinaus gilt es die transgenerationale Übertragung, wie Traumabewältigung und Verhaltenstherapie bei betroffenen Kindern/Jugendlichen zu durchbrechen.

Leiten Sie ebenso Maßnahmen ein zur Sensibilisierung von Lehrenden, Ärzt*innen, Polizei, Staatsanwält*innen, Rechtsanwält*innen und Richter*innen zur Vermeidung von Sekundärviktimisierung durch inadäquate belastende Zeug*innenvernehmung und Konfrontation mit Täter*innen.  

Landesaktionsplan u.a. S. 48, S. 71; Gutachten S. 45-47

Bauen Sie die Datenlage zu Gewalt in Brandenburg und Situation von Gewaltbetroffenen im Land aus.

Stimmen Sie die landeseinheitliche Datenbank mit dem Indikatorensatz für ein nationales Monitoring ab, für einen umfänglichen, differenzierten oder tiefgehenden Überblick über die Situation der Gewaltbetroffenen.

Beauftragen Sie u. a. folgende Studien zur verbesserten Ableitung von Präventionsmaßnahmen und Bedarfen:

  • Dunkelfeldstudien zu Ursachen und Auswirkungen, berücksichtigen Sie dabei die verschiedenen Gewalttypen
  • Studien zur Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, insbesondere zum Opferschutz, Interventionsketten, der Vernetzung von Angeboten, Akteur*innen und Hochrisikomanagement
  • Studien zur Wirksamkeit von Maßnahmen für ein nachhaltiges gewaltfreies Leben für betroffene Frauen und für das Durchbrechen der transgenerationalen Übertragung von Gewalt
  • Datenerhebung zu Formen geschlechtsspezifischer Gewalt und juristische Ahndung dieser Taten
  • Langzeitstudie zur Inanspruchnahme der vertraulichen Spurensicherung

Landesaktionsplan S. 15, S. 72; Gutachten S. 45-47, S. 84-85

Weitere Informationen für die Landesebene

Geschlechtsspezifische Gewalt meint gewaltvolle Handlungen gegenüber einem Individuum oder einer Gruppe von Indi­viduen aufgrund der Geschlechts­identität. Der Begriff wird benutzt, um zu verdeut­lichen, dass gesellschaftliche Struk­turen das Risiko erhöhen, bestimmte Formen von Gewalt zu erleben. Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen, trans, nicht-binäre und intersex Menschen, aber auch Menschen, die bestimmten sozialen Nor­men oder einem binären Geschlechter­verständnis nicht entsprechen.